Kompetenz seit 35 Jahren
News
Testierwille bei Testament auf „Brauereizettel“ mit der Formulierung „kriegt alles“
Das Oberlandesgericht Oldenburg musste sich mit der delikaten Frage beschäftigen, ob auf einem Block, den üblicherweise Bedingungen in Restaurants verwenden, um eine Bestellung aufzunehmen, rechtswirksam testiert werden kann. Das Oberlandesgericht stellte hierzu folgende Leitsätze auf:
1. Der Testierwille grenzt das Testament von Entwürfen, der bloßen Ankündigung der Errichtung eines Testaments oder sonstigen Schriftstücken, die keine letztwillige Verfügung darstellen sollen, ab. Demnach muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden.
2. Allein der Umstand, dass das formgültige Schriftstück sich auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet, lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nur um einen Entwurf handelt oder keine verbindliche letztwillige Verfügung darstellt.
3. Ein Notizzettel einer Brauerei, auf dem üblicherweise Bestellungen in der Gastronomie notiert werden, mit dem Satz vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschriebenen Satz „… kriegt alles“ ist demnach ein wirksames Testament zugunsten der Lebensgefährtin.
4. Eine Gewissheit, die vernünftige Zweifel ausschließt, liegt auch in Amtsverfahren – wie dem Erbscheinsverfahren – vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, „der den Zweifeln Einhalt gebietet“, ohne sie völlig ausschließen zu können. Es reicht daher aus, wenn das zur Entscheidung im Erkenntnisverfahren berufene Gericht nach diesen Grundsätzen keine „vernünftigen Zweifel“ an der Echtheit des Testaments hat.
5. Die Feststellungslast für die Echtheit eines Testaments trägt im Zweifel derjenige, der aus dem Testament ein Erbrecht herleitet.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.12.2023 – 3 Wx 96/23
Florian Enzensberger
Fachanwalt für Erbrecht, Weilheim